Nebenjobs, Schnapsideen und Eastereggs – Protokoll eines ITS-Fahrers

Zunächst sah es so aus, als ob der Samstag in gesitteten Bahnen ablaufen würde. Geplant war, über den Tag (neben den allfälligen Arbeiten im Haushalt) im Singleplayer ein paar schnelle Touren für die ITS zu fahren, bevor ich am Abend im Rahmen meines Nebenjobs bei der ConSec, an der Absicherung eines Konvois mitwirken wollte. Erfreulicherweise waren nach Ende dieses Dienstes noch einige KollegInnen im ITS-Teamspeak, sodass ich mich nicht von den seichten Gewässern der bundesdeutschen Fernsehunterhaltung berieseln lassen musste, um den Tag ausklingen zu lassen.

Das Fahrziel der Kollegen verhieß hingegen eine Herausforderung, die ich bislang nur vom Hörensagen kannte: „Wir fahren auf Promods zum Steinbruch von Kirkenes. In Kürze kommen wir in Murmansk vorbei, da können wir Dich einsammeln.

Die Antwort auf die Frage, was in einem Steinbruch gebraucht werden mag, konnte ich mir deutlich vor meinem geistigen Auge ausmalen. Bestimmt würden sich die Betreiber über eine neue Planierraupe freuen, so mein Gedanke. Meine Frage an die Kollegen, ob es eine gute Idee sei, eine 35 Tonnen schwere Planierraupe auf einem Tieflader mit einem MAN 33.680 in besagten Steinbruch zu expedieren, wurde einhellig verneint. Nach dieser lapidaren Feststellung machten wir uns also voller Hoffnung und frohen Mutes auf den beschwerlichen Weg durch die spektakuläre Landschaft am nördlichsten Zipfel Europas.

Während sich der MAN an der Spitze mit hoher Drehzahl und unter vollständiger Nutzung seiner 16 Gänge über die kurvenreiche Straße quälte, konnten die drei Kollegen hinter mir die „… entspannte Fahrweise und schöne Landschaft …“ (Zitat) genießen. Zumindest galt dies für den ersten Teil der Tour. Herausfordernd wurden dann die letzten 60 km. Tatsächlich sind sowohl das Verkehrsaufkommen als auch die Beschaffenheit der finalen Zuwegung zum Steinbruch mit realen Verkehrsverhältnissen auf legendären Straßen vergleichbar.

Im Kern handelt es sich um eine unbefestigte und mehr oder minder einspurige Piste, die sich bergauf und bergab um Felsvorsprünge und extrem enge Kurven herum sowie an tiefen Abgründen entlang windet und bisweilen auch über wenig vertrauenerweckende Brücken führt. So weit, so gut, – wenn dort nicht gefühlt die halbe Community von TruckersMP zeitgleich versuchen würde, den beschriebenen Weg zweispurig und mit stark überhöhter Geschwindigkeit zu befahren. Somit ergibt sich auch fast zwangsläufig der Vergleich mit Straßen wie dem Prithvi Highway in Nepal oder dem Camino de la Muerte in Bolivien. Wider aller düsteren Erwartungen hat es der MAN dennoch geschafft, die 35 Tonnen schadenfrei über den Berg zu wuchten ohne zu verrecken, sich aussichtslos im Gegenverkehr zu verhaken oder als Haufen Schrott im Abgrund zu landen (der intelligenten sequentiellen Schaltung sei Dank).

Für den ebenso gefahrvollen Rückweg in die Zivilisation haben die Kollegen ihre Trailer in ihre Garagen transferiert. Und auch ich hatte keine Lust mehr, meinen Tieflader ein zweites Mal um die Ecken dieser Ausgeburt des Unfallschwerpunktes zu zirkeln. Überraschenderweise betrug der Schaden an meiner Zugmaschine am Ende nur etwa 4000€. Gratis gab es hingegen die Hupkonzerte und unflätigen Flüche all derer, denen es nicht schnell und riskant genug gehen konnte. Damit hätte der Abend bereits ein gelungenes Ende finden können, wenn nicht ein Kollege noch vorgeschlagen hätte, an einen „besonderen Ort“ zu fahren – wir würden uns ganz in der Nähe befinden.

Gesägt, tun getan. Also ging es ab auf die Fähre nach Svalbard (Spitzbergen), nicht ohne uns Aufträge dorthin generiert zu haben. Die Landschaft auf Svalbard wäre für sich schon eine Beschreibung wert, aber darum soll es nicht gehen. Zu dritt waren wir auf dem Weg zu etwas, was landläufig als Easteregg bezeichnet wird. Meist sind dies versteckte Inhalte oder Funktionen, die von ProgrammiererInnen in oftmals sehr komplexe Software eingebaut wird (bis Office2000 gab es z. B. in MS-Excel einen Flugsimulator). Nachdem wir also unsere Frachten abgeliefert hatten, machten wir uns auf den Weg ins Unerwartete. Gelandet sind wir auf einem nicht im Navigator dargestellten Weg, der uns in einen Berg hinein in ein Labyrinth geführt hat. Glücklicherweise hatten wir einen ortskundigen Führer dabei, denn tatsächlich scheint das Stollensystem sehr ausgedehnt zu sein. Der Navigator ist während der gesamten Fahrt durch den Berg schwarz wie die Nacht geblieben, aber mein Kompass im Auto funktionierte noch. Vermutlich auf diese Weise, hatte der Kollege sich auf seinen vorausgegangenen Forschungsreisen bereits eine Karte gezeichnet, mit der er uns zielsicher zum Easteregg geführt hat.

Was uns am Ausgang erwartet hat, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Kurz gesagt landet man in einer surrealen Welt, in der auf einem Strand Pferde herumlaufen, urzeitlich anmutende Echsen durch ein Meer schwimmen und man auf diesem Meer bis ans buchstäbliche Ende der Welt fahren kann, um sich dort vom Rand herab mitsamt dem Truck ins Nichts zu stürzen …

Herzlichen Dank an meine Mitfahrer für diesen gelungenen Samstagabend, sacht der Sonntachsfahrer

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